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Meller Interview

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Verdammt lange haben wir hier auf RuhrpottHipHop.com selber kein Interview mehr gemacht. Aber da ein guter Freund von uns die Tage, am 16. Oktober 2009 um genau zu sein, ein wirklich gutes Debütalbum veröffentlicht, ist es mal wieder Zeit aus’m Arsch zu kommen!

Es handelt sich um den bochumer Rapper Meller & die Scheibe hört auf den Namen „To The Bone“. Heeeere we are!

Yau Meller – stell dich doch bitte noch mal kurz vor!
Alles klar. Mein Name ist Meller, manche kennen mich auch als Double L To The Bone. Was meinen Namen angeht, haben wir schon alle möglichen Variationen auf Plakaten und Flyern gesehen, Meller, Me2ler, M.e2.l.e.r. Das hat damit zu tun, dass ich meinen Namen gerne buchstabiere. Letztendlich habe ich mich für die einfachste Schreibweise entschieden. Wichtig ist natürlich noch mein Namenszusatz, mein Markenzeichen: To The Bone.

„To The Bone“ ist auch der Titel von deinem Debütalbum, welches grade veröffentlicht wird und man hört diesen Schlachtruf in vielen deiner Texte. Was steckt hinter diesen Worten und woher kommt der Slogan?
Also, „To The Bone“ heißt frei übersetzt soviel wie „Bis auf die Knochen“. In einem meiner ersten Tracks ging es darum, dass mein Rap bis auf die Knochen geht, beim freestylen ist dann irgendwann To The Bone daraus geworden. Letztendlich steht das für die Einstellung immer alles zu geben, hundertprozentig für sein Wort und für seine Leute einzustehen. Es bedeutet aber auch tiefer zu gehen und immer zu schauen was unter der Oberfläche liegt. To The Bone ist nicht nur hier (zeigt seine Faust) To The Bone ist vor allem hier (zeigt mit der Faust auf sein Herz)!

Wodurch zeichnet sich dein Album aus? Wo liegt der Unterschied deiner Meinung zu anderen Produktionen? & was können die Zuhörer erwarten?
„To The Bone“ ist ein richtiges Album, also eine Produktion die du dir vom ersten bis zum letzten Track durchhören kannst. Vorrausgesetzt unsere Note trifft deinen Geschmack. Ich denke, dass genau darin der Unterschied zu den meisten aktuellen deutschen Produktionen liegt. Es gibt viele gute Rapper, viele gute Produzenten, aber nur die wenigsten schaffen es ein rundes Album zu machen. Ich denke, dass wir das geschafft haben, weil Rapper, Produzenten und DJ’s gut miteinander harmonieren.

Die Tracks reichen von Party über Battle bis hin zu teilweise sozialkritischen und ernsten Thementracks. Welche Idee steht hinter dem Album?
Am Anfang war ich mir nur sicher, dass das Album „To The Bone“ heißen wird. Ich hatte vor Jahren schon mal eine Reihe von Tracks zusammengestellt und wollte diese unter dem Titel „Bis auf die Knochen“ veröffentlichen. Das hat aber aus verschiedenen Gründen nicht funktioniert. Viele können ja mit dem Begriff „To The Bone“ erst mal nichts anfangen. Daher ist das Ziel des Albums, das jeder, der sich das Album anhört, „To The Bone“ verstehen und fühlen kann.

Auf dem Album ist auch der krass lange Kollabo-Track „Im Pott gekillt“. Hier featurest du 15 Rapper aus dem ganzen Ruhrgebiet u.a. Lakman, Pahel (RAG), Alex Hope, Terence Chill, Rheza und Back Draft von 2Seiten. Wie kam es zu der Zusammenarbeit und was war deine Idee für den Track?
Während der Entstehungsphase des Albums hat sich abgezeichnet, das es hauptsächlich aus Solostücken bestehen wird, dennoch wollte ich meine Leute mit drauf haben. Also hab ich mir einen Beat gepicked, die Hook aufgenommen und allen das Ding gegeben. Während des Schreibens kannte also keiner die Parts der anderen, die einzige Orientierung war die Hook. Ich glaube, dass ich damit genau das erreicht habe was ich wollte, nämlich einen Kollabo-Track der richtig in die Fresse klatscht, auf dem sich jeder Rapper völlig anders anhört. Kein Part gleicht hier dem anderen und nur dann kann man sich so einen 10 Minuten-Track überhaupt an einem Stück anhören.

Das erste Video gibt’s zu dem Track „Richtig Bock“. Warum ausgerechnet dieser Track? Und was kriegt man zu sehen?
Allen Beteiligten erschien der Track am besten geeignet als Single. Da der Track eine ziemliche Aufbruchstimmung transportiert, haben wir das Ding als Roadmovie abgedreht. Für den Dreh hab ich einen Homie von mir eingeladen, dann sind wir einfach bisschen mit seinem Chevrolet Malibu unterwegs gewesen. Gedreht worden ist das Video von JayTi Films.

In letzter Zeit warst du soweit wir das sehen einer der meistgebuchten Untergrund Rapper in der Region. Wie wichtig ist dir das Live spielen und was hälst du von Rappern die versuchen per MySpace die Welt zu erobern?
Live spielen ist das Wichtigste! Studiorapper und MySpace-Mc’s haben keine Chance. Das Internet ist zwar für Promotion sehr wichtig und das sollte man auch 100% nutzen, aber wirklich ernst nehme ich nur Rapper die mich live auf der Bühne überzeugen. Für sich alleine oder im Studio Musik zu machen ist eine Sache, aber der entscheidende Schritt ist es, seinen Shit direkt an die Leute zu transportieren.

Yau, koole Sache – dank dir & viel Glück mit deiner LP! To the boooooone!

Der Lange zur aktuellen Labelsituation..

MZEE.com: „Im Ruhrpott wächst seit kurzer Zeit eine beachtliche Landschaft von Indie Labels heran. Ercandize und Assazeen, Slick One mit Selfmade, Manuellsen hat Pottweiler Entertainment und nun Superdope Inc. sind nur einige bekannte Labels. Besteht nicht die Gefahr einer Übersättigung? Wie sehen die Harmonien untereinander aus? Brenna ist schließlich bei Assazeen gesignt?“

Atom One: „Also es herrscht schon eine gesunde Konkurrenz zwischen den Labels. Das ist auch gut so, aber irgendwelche Streitigkeiten gibt es nicht. Zu dem Brenna & Desasta Ding möchte ich eigentlich gar nichts sagen, dass sind deren Angelegenheiten. Ich möchte nicht überheblich klingen, aber wir von Too Strong haben schon einen Namen im Ruhrpott. Außerdem haben wir ein super harmonierendes Team gebildet und jetzt wollen wir auch einfach unser Süppchen kochen. Die Assazeen Jungs sind immer um uns herum. Da herrscht ein absolut brüderliches Verhältnis. Zu Manuellsen kann ich nicht viel sagen, weil ich da keine Connection habe und Selfmade sehe ich nicht als Ruhrpott Label. Ich meine der Kuchen ist groß genug im Pott, damit jeder etwas abbekommt. In Berlin funktioniert dies schließlich auch. Ich finde im Pott ist der Zusammenhalt untereinander einfach viel größer. Wir brauchen einfach mehr Standing in den Medien.“

3 Zeitungsartikel

Hier findet Ihr momentan drei intressante Artikel aus drei verschiedenen Jahren über die lokale Szene:

1997 : Tageszeitung-Ruhr : Dortmunder Untergrund
1998 : Der Spiegel : Ruhrpott AG – „Unter Tage“
2000 : Tageszeitung-Ruhr : MC-Fight im Hiphop-Pott

Natürlich ist dieses Archiv keinesfalls vollständig. Wir legen allerdings auch nur bedingt wert hierauf, da die meisten Artikel und Berichte auch nichts wirklich hergeben. Wenn jemand noch was findet, kann er uns aber natürlich mal konnekten.

Die Tageszeitung-Ruhr schrieb 1997 :

Dortmunder Untergrund
Purer originaler HipHop

Der Wolf oder Tic Tac Toe haben HipHop aus Dortmund in die Charts gebracht. Aber jenseits dieses kommerziell erfolgreichen Mainstreams existiert seit Jahren eine äußerst aktive Untergrundszene. Der Lange repräsentiert diesen puren originalen HipHop. Als Rapper, Sprayer, T-Shirt-Designer und Ladenmitbesitzer ist er sozusagen Untergrund in Person, handmade bzw. mundmade aus Dortmund, d e r bundesdeutschen Graffitihochburg.

Als Lars Gurofski kennen ihn nur seine Eltern, als Rapper und Frontmann der Gruppe Too Strong, dem Aushängeschild der Dortmunder HipHop-Szene, ist Der Lange inzwischen bundesweit bekannt. Er hat jene ominöse Silo-Nation mitbegründet, in der sich die Sprüher, Breaker , DJs und Rapper der Dortmunder HipHop-Szene locker zusammengeschlossen haben. „Das Silo steht als Symbol für große Aufnahmebereitschaft und Speicherkapazität“, sagt der Dortmunder. Mit seinen Graffiti hat er das Stadtbild bunter und Polizei und Hausbesitzer blasser gemacht.

„Ohne die Typen, die jede Nacht rausgehen und trotz Polizeiverfolgung überall ihren Namen draufschreiben, würde es die HipHop-Szene nicht geben.“ Dem Langen geht es um Respekt, Wahrheit und Glaubwürdigkeit. „Du machst nur die Sachen, mit denen du dich auch identifizieren kannst.“

Für ihn ist HipHop immer Untergrund und nicht Geldverdienen und lustige Sprüche klopfen. Der Wolf, Die Fantastischen Vier oder Tic Tac Toe sind für ihn weichgespülte Produkte der Musikindustrie, die nicht HipHop sondern höchstens trendy PopRap produzieren.

Auf seinem Soloalbum „The Real Deal“ gibt der 25jährige großmäulig vor, was korrekt ist. Knallhart rapt er in deutsch und englisch über B-Boys, „zugebombte“ Züge, Freestyle und natürlich auch Dortmund und die Silo-Nation. „Ich erzähle das, was ich in den letzten Jahren selbst erlebt habe. Mir geht es um die Geschichte und die realen Hintergründe der Hip-Hop-Kultur.“ Roughe Rhythmen und funkige Beats treffen dabei auf eingängige Melodien und atmosphärische Samples. Ein swingender Kontrabass, Piano-Klonks oder eindringliches Cellospiel machen dieses „Oral History“- Werk auch musikalisch interessant.

Jetzt hat Der Lange mit drei anderen Kollegen einen eigenen Laden eröffnet. Der Uprock-HipHop-Store an der Bornstraße 10 soll „Homebase für die Szene“ sein. Hier gibt es fette Beats auf Vinyl oder Tape, angesagte Szene-Klamotten oder exklusive Graffiti-Magazine. Farbdosen werden nach der Devise „Sprayen und Sparen“ fast zum Einkaufspreis angeboten.

Andererseits wollen Der Lange und die anderen sich hier auch ihre eigenen Arbeitsplätze aufbauen. Im Keller werden per Mail-Order Underground-Platten und T-Shirts versandt. Unter dem Label „Stick Up Kids“ entwirft der Lange gemeinsam mit Can 2 eigene Klamotten. Graffitimotive bilden die Grundlage für die T-Shirt- und Kaputzen-puli-Kollektion.

„Ich will möglichst viele Kollegen mitreinziehen, die arbeitslos sind. Wir wollen mit den Sachen, die uns Spaß machen und die wir gut finden, auch Geld verdienen“, beschreibt Der Lange seine Kombination von Untergrund und Marktwirtschaft. Er hat nach Realschulabschluß und abgebrochener Metzgerlehre selbst jahrelang auf der Straße gelebt. Mit dem Erlös aus Plattenverkäufen und den vielen Konzerten an jedem Wochenende hat er sich über Wasser gehalten. Mittlerweile klopfen bei ihm die ersten Majorlabels an. Aber Der Lange bleibt mit beiden Füßen fest auf dem Boden bzw. im Untergrund: „Uprock“ soll zwar abgehen, „aber die Hip-Hop-Kids haben wirklich nicht viel Kohle und wir wollen denen hier nicht das Geld aus der Tasche ziehen.“

Roland Kentrup

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Der Spiegel schrieb 05. November 1998 eine „CD-KRITIK“:

Ruhrpott AG – „Unter Tage“
Von Fiete Stegers (www.netzjournalismus.de)

Im Ruhrgebiet ist der Strukturwandel in vollem Gange. Auch musikalisch: Der Pott kocht – und immer mehr HipHopper mischen mit. Neueste Seilschaft auf dem Weg nach oben: RAG.

Bei der Jam-Session im Freizeitzentrum West am beschaulichen Rand der Dortmunder Innenstadt stehen sie alle früher oder später mal auf der Bühne, peinliche Vorstadttrapper in aufknöpfbaren Trainingshosen und die MCs von morgen. Der Wolf ist öfter da, und Dike hat man auch gesichtet. Dikes erstes Album hat Label-Kollege Lee Buddah produziert. Für Lee Buddah hat DJ Chris an den Reglern gedreht. Der kommt wie „der Lange“ von den Szene-Heroen „Too Strong“, und jetzt haben beide auf dem Album der „Ruhrpott AG“ mitgemischt. Im Jahr eins nach der Krupp/Hoesch-Ehe haben auch Bands fusioniert. Hinter der RAG verbergen sich „Filo Jones“ und „RAID“. Beide Bands, Anfang der Neunziger entstanden, können auf ein paar Veröffentlichungen auf Samplern und Gastauftritte zurückblicken. Ein Album gibt es erst jetzt. „Unter Tage“ heißt das Debüt der vier Ruhrgebietler, und entsprechend düster klingt es auch. Das ist das Konzept: Sie verstehen sich als „gesundes Gegengewicht zu eindimensionalem Party-HipHop“.

Statt dessen graben sie an den HipHop-Wurzeln und fördern langsame Beats zutage. Darüber legen sich sparsame Melodien, eine sanfte Trompete, eine Mexiko-Gitarre oder ein Sample, nicht eintönig, aber eingängig. Zusammengeschweißt werden die Stücke durch den gleichmäßigen Reimfluß der Rapper Pahel, Galla und Aphroe.

Auch bei der unvermeidlichen Schelte für unfähige Kollegen gehen sie mit Witz statt Kraftausdrücken ans Werk: „Du fidelst nur in Castrop“. Meist aber betätigen sich die Reimsprecher als selbsternannte „Geburtshelfer sinngeschwängerter Passagen“. Der cannabishaltige „Westwind“ kommt eindeutig aus Holland und bringt den „Hanfstern Galactica“ mit. „Kopf Stein Pflaster“ erzählt von der Ochsentour durch Mini-Clubs und anderen Härten des Bandlebens. Ganz klar ist der Inhalt der Texte aber nie: Durch die Vorliebe der Beat-Arbeiter für unvollendete Sätze und abrupt in Wortspielen mündende Argumentationslinien werden die Texte zu Synthesen aus expressionistischen Hör-Bildern und albernen Fundstücken der Pop-Kultur.

Der Witz der RAG ist es auch, der sie trotz aller Melancholie vom aggressiven Sprechgesang eines sich im Weltschmerz wälzenden Moses Pelham unterscheidet. „Unter Tage“ ist der Soundtrack für gepflegte Melancholie mit genügend Gelegenheiten zum Ausbrechen. Für die Ruhrpott AG selbst ist das Album Werkschau und Vergangenheitsbewältigung, aber auch die Basis, von der die RAG-Mitglieder, einzeln und gemeinsam, neue Sounds zutage fördern wollen.

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Die Tageszeitung-Ruhr schrieb am 23.11.2000 :

MC-Fight im Hiphop-Pott

Die Hiphop-Szene im Ruhrgebiet ist schon länger in Aufruhr. Nun hat sich der Pott endgültig als eigene Trademark des Sprechgesangs etabliert – urheberrechtlich geschützt, versteht sich
von MARCEL SETTNER

Im Hip Hop gilt das Recht des Stärkeren: des stärkeren Reims, des fetteren beats. Das sind die Mittel, mit denen jede Gruppe kämpft. Die Szene besteht aus Einzelkämpfern, die sich als Mitstreiter nur diejenigen aussuchen, die ähnliche styles im Hip Hop prägen. Bei Jams, wie in der Oberhausener Turbinenhalle, finden sich aber inzwischen die einzelnen Gruppen des Reviers unter dem Ruhrpott-Banner zusammen. Sie bilden keine einheitliche Szene, aber ihr Lebensgefühl bringt sie zusammen. Das ist demnächst auch live im Ruhrpott zu erleben: Creutzfeld&Jakob und Dike sind beim Hip-Hop Jam 2000 am 29.11. im Soundgarden Dortmund dabei. RAG geben ihr letztes Konzert dieses Jahr am 8.12 im Jugendzentrum Hombruch, Kieferstrasse 32, dort, wo alles begann: in Dortmund.
Hier formierten sich Anfang der Neunziger Too Strong. Die old school Tradition des ursprünglichen Hip-Hop gibt bei ihnen den Ton an. Mit Schallplattenspieler und Mikro geben sich die Pioniere im Tagebau des Ruhr Hip Hop puritanisch. Mit ihrem Pionierstatus halten sie in ihren Texten keinesfalls hinter den Berg: „Viele Neider vergessen, wir waren in Dortmund die Ersten.“ Ihre Reime sind zumeist battle-rhymes, die dem freestyle entstammen. Freestyle, ein weiterer wesentlicher Aspekt des old school, meint den spontan improvisierten Sprechgesang, mit dem sich verschiedene MCs bekämpfen. Es handelt sich um sprachlichen Fechtkampf: je verdrehter und unkonventioneller das Wortspiel, je schneller und rhythmisch komplizierter vorgetragen, desto besser.
Dortmund ist die Schaltstelle des Revier-Sprechgesangs. Hier residiert Die 4Ma, die das Management für Too Strong, für Dike, Koma Mobb, ABS und den Wolf besorgt. Damit hat sie old school Protagonisten und Partyrap a la „Gibts doch gar nicht“ (Der Wolf) unter einem Dach. Passen düstere beats und kämpferische Reime neben popartige Erzählungen aus dem Teenieleben? Schnitzel Hoffmann, Manager bei der 4Ma: „Anfang der Neunziger war die Szene ziemlich gespalten. Komischerweise verhinderten die ewigen Streiterein aber nicht, daß schließlich sowohl Too Strong als auch Der Wolf bei uns unter Vertrag standen. Im letzten Jahr waren sie sogar zusammen auf der Bühne.“ Die Szene bleibt dennoch gespalten. Gerade am Wolf scheiden sich die Geister. Dieser nimmt´s gelassen. Ob Hip oder Hop, er nennt seine Musik Smartcore und gehört kommerziell weiterhin zu den erfolgreichsten.
Der Rapper Dike aus Witten nimmt es mit dem Hip Hop Begriff auch nicht so genau. Er jongliere mit allen Synonymen. Nach 20 Jahren Ruhrpott könne ihn „kein Wasser mehr trüben“. Und so rappt er über beats, die hin und wieder auch nach Reggae klingen. Mit hypnotischer Stimme und sich schier endlos aneinanderreihenden Reimen erzählt er von der Fahrt in der S-Bahn, in der ein Alki ohne Vorwarnung seine Lebensgeschichte auspackt oder schlicht von der letzten Party. Koma Mobb rappen über die Mafiaconnection der Pizzerien oder die eigene Positionierung in der Szene. Mit Synthesizern gesättigt, klingt ihr Sound oft schwer nach den ’80ern und verschmäht auch keine Metallgitarren.
Zur Zeit übernehmen Creutzfeld&Jakob die Repräsentanz des Potts auf den Musikkanälen. Die Wittener waren zum ersten mal auf dem RAG Erstling „Unter Tage“ zu hören. Ihr erstes Album steht seit einem Monat in den Läden. Ihr Management läuft über das Label Put da needle to da records, das auch RAG betreut. Wie Uprock oder Community-Records aus Dortmund ist es ein kleines bis mittelständisches Label. Mammut Labels wie das von den Fantastischen Vier betriebene 4 Music in Stuttgart oder Eimsbusch in Hamburg gibt es im Revier nicht.
Obwohl nicht zwangsläufig mit Hip Hop verbunden, ist Hanf die Droge Nr.1 für die Rapper. Pot(t) ist nicht nur Standortbestimmung, sondern wird auch gern geraucht. Koma Mobb widmen dem Hanf ein Lied. Dike raucht wahrscheinlich nicht nur auf dem Plattencover. Und die „Westwinde“, die bei RAG wehen und den „Ultraschall“ sehen lassen, sind nicht die der Wettervorhersage.
Toughness, Ehrlichkeit der Straße, Seitenblicke ins kriminelle Milieu und ins soziale Abseits ziehen sich wie ein roter Faden durch die Texte. Es wird immer deutlich, welche Straßen gemeint sind. Ein guter Teil politisch korrekter Sozialromantik ist meistens mit in die Pottmischung hineingestreut. Ein deutlicher Unterschied zu den Produktionen aus Hamburg, die oft nur noch aus battle-rhymes bestehen, so daß „Hamburg City rules!“ oft nicht viel mehr als ein Schlachtruf bleibt.
Auch die Produktion der Platten zeigt den Unterschied. Während sie hoch im Norden die Studios oft mit glasklaren Höhen lasiert und mit Miami-Bass unterfüttert verlassen, will der Ruhrpottsound eher schmutzig und sperrig bleiben. Die Wurzeln liegen eben unter Tage.

Drei Fragen
Aphoe von RAG

Können Sie kurz Ihren Werdegang skizzieren?
Wir haben uns ’96 formiert. Unseren Erstling haben wir über ein Independent-Label 25.000 Mal verkauft. Das war der Startschuß. Wir haben dann das Video „Kopfsteinpflaster“, das auf den Musikkanälen lief, gedreht, obwohl es gar keine Singleauskopplung gab. Die Produktionskosten lagen bei 1000.- DM. Danach kamen die low-budget Videos wieder in Mode. Zur Zeit sind wir im Studio. „Pottential“ wird im Frühjahr 2001 rauskommen.

Wie wichtig ist für Sie der Ruhrpottbezug?
Es war uns wichtig, den Pott auf die HipHop-Landkarte zu setzen. Hier gibt es schon lange eine Szene, die ihre eigene Entwicklung gemacht hat. Wir wollen unser Lebensgefühl direkt und ehrlich ausdrücken – ganz pottmäßig, nicht zwanghaft witzig, um irgendeine Art von mass-appeal zu erreichen. Sprachverliebtheit kommt vor Selbstverliebtheit.

Eine Zeile für dieses Lebensgefühl.
„Laufen um unser Leben, / sprinten für das Rennen, / tauchen den Westen in Tinte, / wollen die Feder unsere Flinte nennen.“